100 Jahre Waldorfschulen

100 Jahre Waldorfschulen

Keine Noten, keine Lehrbücher, kein fester Lehrplan und kein Direktor—was für eine staatliche Schule undenkbar wäre, ist im System Waldorfschule ganz normal. Begründer dieser Pädagogik war Rudolf Steiner (1861-1925) und seine Lehren sind auch heute noch Grundlage aller Waldorfschulen.

Dazu gehört unter anderem, die Schüler im ,,Denken“(intelektuell-kognitive Fähigkeiten), ,,Fühlen“(kreativ-künstlerische Fähigkeiten) und ,,Wollen“(praktisch-handwerkliche Fähigkeiten) gleichberechtigt zu fördern. Deshalb gibt es an Waldorfschulen auch sehr viel mehr praktische Arbeit als bei anderen staatlichen Schulen.

Außerdem werden die Leistungen der Schüler nicht mit Noten bewertet, sondern der Lehrer schreibt für Jeden einen ausführlichen Text, in dem er auf die individuellen Fähigkeiten des Schülers eingeht. Dadurch kann man auch nicht sitzenbleiben.

Weiterhin hat der Klassenlehrer eine große Bedeutung für die Schüler, denn sie haben ihn von der ersten bis zur achten Klasse.

Zur Waldorfpädagogik gehört auch, dass es keinen festen Lehrplan gibt, der den Lehrern vorschreibt, welche Themen sie unterrichten sollen. Dazu gibt es nur Richtlinien, welche Themen man durchnehmen kann.

Zusätzlich gibt es normalerweise auch keine Lehrbücher, mit denen die Schüler lernen, sondern es gibt den sog. Epochenunterricht. Das bedeutet, dass immer in der 1./2. Stunde der Klassenlehrer ein Fach 1-2 Monate lang unterrichtet. Währenddessen schreiben die Schüler ein Epochenheft, in dem sie den erlenten Stoff sammeln und das dann auch in die Bewertung miteinfließt. Die Fächer, die im Epochenunterricht unterrichtet werden, sind z.B. Mathe, Deutsch, Physik, Chemie, aber auch Kunstgeschichte oder Geometrie.

Diese Fächer hängen aber auch von jeder Waldorfschule einzeln ab, denn anstatt eines Direktors leiten Eltern und Lehrer die Schule. Einmal wöchentlich gibt es dafür eine Lehrerkonferenz, bei der pädagogische und organisatorische Fragen entschieden werden.

Außerdem gibt es an Waldorfschulen noch ein besonderes Fach namens Eurythmie. In diesem Fach steht die Bewegung im Vordergrund, man läuft vorgegebene Formen und Figuren ab und bewegt dazu Arme und Hände. In den Eurythmiestunden verbessert man diese Bewegungen. Ziel ist dabei, seine innere Mitte zu finden und zur Ruhe zu kommen.

Ein weiterer Unterschied zu staatlichen Schulen ist, dass es zusätzlich zum Sozial- und Betriebspraktikum noch ein Landwirtschaftspraktikum gibt.

Wenn man auf eine Waldorfschule geht, kann man sich entscheiden, welchen Abschluss man machen möchte. Man kann den Werkrealabschluss oder Mittlere Reife machen und auch Abitur, dafür hat man aber 13 Jahre Schule. Einen waldorfeigenen Schulabschluss gibt es nach 12 Jahren, allerdings ist dieser staatlich nicht anerkannt.

Fakten:
Vor 100 Jahren, im September 1919, wurde in Stuttgart die erste Waldorfschule gegründet: als Werkschule der Arbeiterkinder der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Heute gibt es weltweit 1100 Waldorfschulen und 2000 Waldorfkindergärten.

Interview mit Lukas Auer, Waldorfschüler aus der 9. Klasse:

Was gefällt dir an der Waldorfschule am besten?
Dass es keine Noten gibt und man dadurch keinen Zwang hat zu lernen, sondern nur für sich selbst lernt. Man ist dann selbst verantwortlich dafür, hat aber keinen Stress.

Was findest du nicht so gut?
Den Eurythmieunterricht. Und die strengen Handyregeln und dass es wenig technische Sachen gibt.

Was würdest du gerne verbessern?
Einen lässigeren und entspannteren Umgang mit Schülern und nicht so strikte Handyregeln.

Inwiefern ist es denn nicht entspannt?
Manche Lehrer haben halt einen Knall und das nervt dann, aber dafür kann das System ja nichts.

Manche Eltern fürchten, ihr Kind lernt auf einer Waldorfschule weniger und wird schlechter vorbereitet. Was sagst du dazu?
Man lernt nicht weniger, sondern langsamer. Manchmal frage ich mich, wofür ich wissen muss, wie man eine Rübe pflanzt, aber insgesamt ist es schon eine gute Vorbereitung auf das spätere Leben.

Redaktion